Nach einer vorangegangenem Studie und einem Variantenvergleich wurde für das Eisenbütteler Wehr ein Kombinationsfischpass, bestehend aus Raugerinne-Becken- und Fischkanupass vorgesehen. Befürwortung fand der Kombinationsfischpass auch vom NLÖ, Dezernat Binnenfischerei. Dieser Empfehlung wurde am 11.05.2004 vom Maßnahmenträger, dem Wasserverband Mittlere Oker, der Unteren Naturschutz- und Wasserbehörde der Stadt Braunschweig einvernehmlich zugestimmt.

Das Wehr mit der ehemaligen Wasserkraftanlage an der Eisenbütteler Straße befindet sich südlich des Innenstadtbereiches von Braunschweig. Die gesamte Anlage bestand aus folgenden Bauwerken:

· Wehranlage als unterströmtes Walzenwehr

· Wasserkraftwerk mit 3 Turbinenkammern (außer Betrieb)

· Leerschuss mit Schützverschluss und Hochwasserentlastungsanlage mit integrierter Bootumsetzung für Wassersportler, in die Fischaufstiegsanlage eingebaut wurde.

Wehranlage

Die Wasserkraftgewinnung wurde 1965 stillgelegt, sodass die Wehranlage jetzt ausschließlich zur Gefälle- und Abflussregulierung dient. Die Wehranlage besteht aus einem 25,0m breiten, unterströmten Walzenwehr. Der Wasserstand im Oberwasser wird auf 70,80m ü NN gehalten. 

 Im Unterwasser teilt sich die Oker in 2 Flussstränge, deren Abflüsse jeweils durch eine Wehranlage (Petriwehr und Wendenwehr) reguliert wird. Die Abflussregulierung der beiden Wehre beeinflusst auch noch das Unterwasser des Eisenbütteler Wehres, sodass keine größeren Wasserstandsschwankungen im Unterwasser zu erwarten sind. Der Unterwasserstand wurde von der Stadt Braunschweig mit 69,30m ü NN angegeben. Somit ergibt sich in der eisfreien Zeit eine Wasserstandsdifferenz von 1,5 m. 

Da nahezu der gesamte Abfluss unter dem Wehr abgeführt wird, lagert sich am Holzbalken der Wehrwalze das Treibgut an, welches mittels Boot zum Abräumplatz an der linken Wehrwange befördert wird.  

Wasserkraftwerk

Das Krafthaus wurde 1911 errichtet. Mit der Stilllegung der Wasserkraftgewinnung wurden die Turbinen, Anlagenteile und Einlaufrechen demontiert. Es wird kein Wasser mehr durch die Turbinenkammern geleitet. Im Zulaufbereich (Zulaufkanal) der Wasserkraftanlage sind deutliche Sedimentationsablagerungen festzustellen. Eine Wiederinbetriebnahme des Wasserkraftwerkes ist nicht geplant.

Leerschuss mit Hochwasserentlastungsanlage / Bootsumtrage 

Linksseitig neben dem Turbinenhaus befand sich der ca. 4 m breite Leerschuss, welcher durch ein handgesteuertes Schützenwehr geregelt wurde. Im Normalfall war der Leerschuss nicht im Betrieb. Nach einem Hochwasserereignis wurde der Leerschuss geöffnet, sodass die abgelagerten Sedimente in das Unterwasser befördert wurden. Hierdurch wurde eine Rinne im Zulaufkanal für die Wassersportler zur Bootsumtrage freigehalten. 

Im Trennpfeiler zwischen Freiflut und Zulaufkanal zum Turbinenhaus war als Streichwehr die HW-Entlastungsanlage eingebaut. Bei einem Wasserstand von 71,10m ü NN sprang die HW-Entlastungsanlage an. Die Bootsumtrage war 5,50m breit und wurde nachträglich dort errichtet. Auf beiden Seiten der Hochwasserentlastung waren Grünstreifen mit Strauch- und Baumbewuchs angelegt worden

 Lage des neuen Fischpasses

Der Einlauf des Kombinationsfischpasses verläuft vom Leerschuss diagonal über die ehemalige HW-Entlastung. Die Funktion des Walzenwehres wird dabei nicht beeinträchtigt. Die Hochwasserentlastung wurde verlegt und nicht in ihrer Leitungsfähigkeit nicht eingeschränkt. 

Stauziel 

Das Stauziel wurde nicht veändert und wieder auf ein Winter- und Sommerziel eingerichtet. Der Wasserstand für das Winterziel, welches in der Zeit vom 01. Oktober – 15. April gilt, liegt bei 70,90m ü NN. Beim Sommerziel wird der Wasserstand von 70,80m ü NN gehalten und gilt für den Zeitraum vom 15. April – 01. Oktober. In der Praxis wird der Winterstau nur bei Eisgang gehalten.

Unterhaltung

In diesem Gewässerabschnitt ist für die Unterhaltung der Oker gemäß §106 NWG (Unterhaltung durch kreisfreie Städte) die Stadt Braunschweig zuständig. Das Wehr ist Eigentum der Stadt Braunschweig und wird durch die Stadtentwässerung Braunschweig GmbH betrieben. 

Hydrologische Situation

Oberhalb des Eisenbütteler Wehres, in einer Entfernung von ca. 10km, befindet sich an der Oker der Pegel Wolfenbüttel. Er erfasst ein Einzugsgebiet von 978 km². Folgende Abflussdaten wurden dort in einem Zeitraum von 38 Jahren (1964 – 2001) ermittelt: NNQ = 0,90 m3/s MHQ = 38,3 m3/s MNQ = 1,82 m3/s HQ14.4.1994 = 110 m3/s MQ = 6,52 m3/s  Gemäß den Auswertungen von M. Hüttl  aus dem Flächenverzeichnis zur Hydrographischen Karte Niedersachsens umfasst die Oker bis zum Eisenbütteler Wehr ein Einzugsgebiet von 1.066 km². 

Maßgebend für die Gestaltung einer Fischwanderhilfe ist der Niedrigwasserabfluss. Da weder zur Wasserkraftgewinnung noch für sonstige Zwecke Wasser der Oker im Bereich Eisenbütteler Wehr entnommen wird, steht genügend Wasser für den Betrieb eines Fischpasses zur Verfügung. Lediglich an 1 – 2  Tage im Jahr kann die Funktionalität der Fischaufstiegsanlage durch sehr geringe Abflüsse beeinträchtigt werden. 

Ökologische Situation der Oker im Stadtgebiet

Die Gewässergüte der Oker im Stadtgebiet wird der Güteklasse 2 – 3 zugeordnet. Als wesentliche Ursache hierfür sind die verschiedenen Stauhaltungen anzusehen. Oberhalb der Wehre kommt es zu Schlammablagerungen und einem erhöhten, für ein Fließgewässer untypischen Algenwachstum.  

Fische und auch Benthosorganismen (z.B. Egel, Krebse, Insektenlarven) brauchen ein natürlich strukturiertes Flussbett mit Tief- und Flachwasserbereichen, Kies- und Sandbänken sowie Wasserpflanzenbeständen. Die Gewässerstrukturgüte der Okerstrecke im Stadtgebiet wird im Wesentlichen der Strukturgüteklasse 5-6 zugeordnet. Die ausgebaute, strukturarme Oker bietet in diesem Bereich wenige geeignete Lebensräume. Auch die Durchgängigkeit ist durch die vielen Wehre mit verschlammten Rückstaubereichen nicht gegeben. Aufgrund der Strukturarmut des Gewässers wird die Besiedlung, vor allem im Staubereich, mit Wirbellosen äußerst schwach ausgeprägt sein. Sowohl die Artenvielfalt als auch die Artendichte ist gleichermaßen betroffen. Somit ist die Durchgängigkeit für Benthosorganismen bei der Auswahl der Fischwanderhilfen nicht von höchster Priorität. Von ihren natürlichen Gegebenheiten gehört die Oker im Raum Braunschweig zur Brassenregion. Neben der Brasse kommen hier auch Arten wie Aal, Hecht, Schleie, Rotfeder und Karpfen vor.  Zu den natürlich vorkommenden Fischarten gehörten aber auch Arten wie Bachschmerle, Quappe sowie Bach- und Flussneunauge. Als durchziehende Wanderfischart wäre auch der Lachs zu nennen. Für die Laichwanderung oder andere Bewegungen ist die ökologische Durchgängigkeit erforderlich. Zur Zeit sind viele Fischarten wegen fehlenden Wandermöglichkeiten und Lebensräumen in der Oker nicht mehr vorhanden bzw. vom Aussterben bedroht. Verschollen sind Quappe, Lachs, Rapfen, Barbe, Bitterling, Bach- und Flussneunauge. Bei einigen Arten wie z. B. Lachs, Quappe und Barbe wird durch Besatzmaßnahmen versucht, Populationen wiederherzustellen. Damit diese Maßnahmen zum Erfolg führen, wird der Lachs als Zielart bei der Herstellung der Durchgängigkeit der Oker berücksichtigt.  

Auswirkung auf die Umgebung

Zur Gewährleistung des Hochwasserabflusses wurde parallel zum Fischpass ein Hochwassergerinne hergestellt. Durch die Umgestaltung wurde geringfügig die Gestalt der Grünflächen neben der Hochwasserrinne verändert. Die Umlenkung des anfallenden Treibgutes zum Walzenwehr war zur Entnahme erforderlich. Hochwasserschutz und Abflussregulierung muss auch bei baulichen Veränderungen der Wehranlage gewährleistet sein.  Die Passierbarkeit der Oker für die Wassersportler besteht auch weiterhin.

Kombinationsfischpass

Der Kombinationsfischpass, bestehend aus Raugerinne-Becken- und Fischkanupass in der Hochwasserentlastung des Eisenbütteler Wehres ist für eine Wassermenge von 1,6 m³/s ausgelegt, das entspricht rund 80% des mittleren Niedrigwasserabflusses. Die vorhandene Hochwasserrinne wurde nach der Umgestaltung parallel zum Fischpass mit gleichem Querschnitt und Gefälle wieder hergestellt. 

Das Wehr wird hauptsächlich bei Mittelwasser- und Hochwasserabflüssen hinzugezogen. Zur Sicherstellung der erforderlichen Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten ist der Raugerinne-Beckenpass mit kaskadenförmigen Steinschwellen ausgestattet. Die Breite der Anlage resultiert hauptsächlich aus dem maßgeblichen Abfluss. Bei Hochwasserabflüssen kann der Fischaufstieg nur bedingt gewährleistet werden. 

Die Vorteile sind u.a.:  

  • Passierbarkeit für Klein- und Jungfische sowie für wirbellose Organismen, 
  • Eignung auch als Fischabstieg,
  • geringe Verstopfungsgefahr / geringer Unterhaltungsaufwand, 
  • gute Leitströmung erzielbar.

 Zur Schaffung vielfältiger Lebens- und Aufstiegsbedingungen für unterschiedliche Arten und Größen der wanderwilligen aquatischen Fauna wurde zusätzlich ein Fischkanupass gebaut, der nebenbei eine Passage für Wassersportler bietet. Der Fischkanupass verläuft in einer 1,50 m breiten Rinne parallel zum Raugerinne-Beckenpass. Neben der Sohle aus Lockermaterial (Schotter) wurden in einem bestimmten Raster elastische Rauheitselemente in Form von Borstenelementen auf der Sohle befestigt. Die Benthosorganismen können sich auf und in der lückenhaften Sohle aufhalten bzw. bewegen, Fische schwimmen zwischen den Borstenelementen hindurch. Die Boote fahren über die Borstenelemente hinweg, die bei zu geringer Wassertiefe für die Bootsabfahrt nachgeben. Im Fischkanupass wird die Strömung durch Rauheitselemente gebremst, die aus elastischen Borsten bestehen. Die Borsten sind in Bündeln zusammengesetzt, hinter denen sich Beruhigungszonen mit geringer Fließgeschwindigkeit ausbilden. Die Borstenelemente werden versetzt angeordnet, dass sich keine gradlinige Kurzschlussströmung ausbildet. Der hohe Strömungswiderstand der Borsten bewirkt die Energieumwandlung, wobei die Strömungsenergie durch die Bildung kleiner Wirbel unmittelbar abgebaut wird.

Abbildung 3: Borstenelement 

Zur besseren Auffindbarkeit des Fischpasses verstärkt ein Bypass die Leitströmung. Damit kein Treibgut in den Fischpass gelangt, wird dieses vor dem Zulaufkanal durch Schwimmbalken zurück gehalten, um weiter, wie herkömmlich, mit einem Boot zum Container am linken Okerufer transportiert werden zu können.

Gestaltung Raugerinne-Beckenpass

Die nutzbare Länge des Raugerinne-Beckenpasses beträgt 32 m. In der Regel weisen Fischrampen eine Neigung von 1:20 – 1:30 auf.  In dem hier vorliegendem Fall kann aufgrund des Höhenunterschiedes vom Ober- zum Unterwasser von 1,50m ein Gefälle von 5 % angesetzt werden, Der Raugerinne-Beckenpass stellt eine Kombination aus einem technischen Bauwerk und einer naturnahen Fischrampe dar. Die Beckentrennwände werden aus säulenartigen, hochkant gestellten Steinen erstellt. Dadurch wird eine größere Wassertiefe als bei den konventionellen Rampen erzeugt und somit kann ein größeres Gefälle abgebaut werden. Die längsseitigen Trennwände und Sohle werden massiv ausgeführt. Die Wasserspiegeldifferenz zwischen den Becken beträgt h=0,15m. Somit wird die zul. Fließgeschwindigkeit von 2,0 m/s entsprechend den Anforderungen für Fischaufstiegsanlagen nicht überschritten. Die Gerinnebreite sollte nicht weniger als 1,50m betragen und der lichte Abstand zwischen den Steinriegeln bei 2,50m liegen. Als minimale Wassertiefe sind h= 0,40m und als lichte Öffnungsweite zwischen den Steinen sind min. 0,20m erforderlich. Maßgebend für die Bemessung der Kombinationsanlage ist der MNQ von 1,98m/s. Für die Anordnung einer wirtschaftlichen und hydraulisch sinnvollen Variante werden Abflüsse über den berechneten Abfluss hinaus über das Wehr abgeführt.  

Abbildung 4: Detail Steinschwelle / schematische Darstellung

Es wurden 9 Becken, d.h. 10 Riegel mit einer jeweiligen Höhendifferenz von 0,15m und Anrampungen zur den Gewässersohlen im Ober- und Unterwasser angeordnet. 

Der ermittelte Durchfluss für den Sommerstau beträgt 1,08m³/s.

Der ermittelte Durchfluss für den Winterstau beträgt 1,25m³/s. 

Bei der Beckenbreite von 6,00m konnten auch die Öffnungen in einem ausreichenden Abstand versetzt angeordnet werden, damit eine Kurzschlussströmung vermieden wird. Zur Sicherstellung der Sohlstabilität wurde ein Korngemisch aus 80/200 eingebaut.

Abbildung 5: Im Sohlsubstrat eingebundener Einzelstein / Skizze ohne Maßstab

Borsten

Für die Bestückung der Borstenbündel werden 0,75m lange und 0,30m breite Borstenplatten mit 219 Bohrungen gewählt. Bei einer Lauflänge von 32 m werden für den Fischkanupass 40 Borstenelemente integriert. Diese werden versetzt in einem Abstand von 0,80m angeordnet.

Bau der Fischaufstiegsanlage

Baubeginn 22. Juli 2005, Leerschuss mit Schützverschluss und Hochwasserentlastungsanlage mit integrierter Bootumsetzung für Wassersportler

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